Broken Age: Akt 1 – Review – Klassisches Adventure das verzaubert

Es war einmal vor langer, langer Zeit… Also am liebsten würde ich diese Review so beginnen, es passt einfach. Denn es ist schon interessant zu beobachten was Tim Schafer und Entwickler Double Fine mit dem Kickstarter-Projekt namens Broken Age geschafft haben. Ziel war es, ein klassisches Point-and-Click-Adventure zu entwickeln, welches voll und ganz auf die Tugenden solcher Perlen setzt wie Monkey Island oder Indiana Jones and the Fate of Atlantis. Warum das ein richtiges Wagnis für das Studio war und dennoch gelungen ist, verrät euch unsere Review.

Titel: Broken Age
Plattform: PC
Entwickler: Double Fine
Publisher: Double Fine
Genre: Adventure
USK/PEGI:
Spieler: Offline: 1 / Online: –
Release: 28.01.2014
Offizielle Seite

Ich will mich in diesem Test gar nicht groß mit der Entwicklungsphase von Broken Age aufhalten lassen, denn für uns Spieler zählt letztlich sowieso nur das Endprodukt. Aber eines sei trotzdem gesagt, Double Fine hätte sich gehörig das Genick brechen können, wenn die Backer (wir, die der Kampagne Geld geben) nicht hinter dem Projekt gestanden wären. Ein bereits gescheiterter Kickstart ist nämlich alles andere als einfach, um ihm wiederzubeleben. Genau jenes, man möchte fast „Wunder“ sagen, passierte Broken Age. Nicht nur dass der Titel große Erwartungen weckte, am Ende kam dabei ein schönes Sümmchen von knapp vier Millionen Dollar heraus, eine Zahl die überproportional sehr hoch erschien, letztendlich aber trotzdem gut genutzt wurde. Allerdings stellt sich dennoch die Frage, was hätte das Studio mit den ursprünglich angepeilten 400.000 Dollar hingezaubert. Vermutlich ebenso einen schönen Titel, aber wohl ohne tragende Namen wie beispielsweise Elijah Wood oder Jack Black. Doch wie eingangs bereits gesagt, es ist mittlerweile völlig Schnuppe, denn die Investition hat sich gelohnt.

Zwei Leben, eine Geschichte

Doch worum geht es in Broken Age überhaupt? Grundsätzlich spielt ihr zwei voneinander unabhängige Geschichten, so ist zumindest der anfängliche Eindruck. Da gibt es zum einen das Mädchen Vella Tartine, die auf einen idyllischen Planeten lebt und dort ist es wirklich wunderschön. Was aber so perfekt erscheint, hat unweigerlich einen Haken. So ist es auch, dass Problem heißt nämlich Mog Chothra, ein Monster dem Vella geopfert werden soll. Clou an der ganzen Sache ist nur, ihre Familie findet das absolut toll, ist sogar Stolz auf die Kleine. Ach was! Das ganze Dorf ist in heller Aufruhr, denn nicht nur Vella soll zum Fraß vorgeworfen werden, sondern gleich vier weitere Mädchen von anderen Familien. Schließlich feiern sie das sogenannte Maidenmahl, was zu einem richtigen Volksfest mit Konfetti und lecker Kuchen ausartet. Sicher, man hat ja vor dem Sterben nichts anderes zu tun außer ans Naschen zu denken. Logischerweise denkt Vella gar nicht daran, sich dem gefräßigen, Cthulhu-artigen, Wesen zu opfern. Ab diesem Punkt machen wir Schluss mit dem ersten Plot, denn abgesehen davon das Broken Age keinerlei Entscheidungen anbietet, erzählt sich das Adventure sehr spannend mit Kinnladenhänger.

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Aber halt! da war ja noch die Story rund um Shay Volta, ein Junge der in einem Raumschiff lebt und von einem Bordcomputer umsorgt wird, der sich noch dazu für seine Mutter hält. Das Leben im Weltraum kann richtig wohlig sein. Man wird sanft geweckt, bekommt eine unkonventionelle Dusche und Mutantenmampf zum Frühstück. Anschließend geht es auf die Brücke des Raumschiffes um Planeten anzusteuern, die ganz bestimmt wilde Abenteuer bieten. Njaa…das mit dem Abenteuer ist eher suboptimal, Shay wird nämlich auf dem Schiff wie ein rohes Ei behandelt und kann Strickpüppchen aus einer Eiscremelawine retten, ist ja mal Ultra. Freilich möchte sich auch Shay nicht mit seinem Schicksal abfinden und sucht einen Weg aus der Kinderhöllen-Spirale. Er allein wird jedoch nie zum richtigen Abenteuer kommen, wenn ihm nicht jemand hilft, und dieser jemand heißt Marek.

Wer jetzt nur ein bisschen Eins und Eins zusammenzählen kann, wird sicher gemerkt haben, dass die Story’s trotz ihrer Unabhängigkeit viele Parallelen aufweisen. Alles ist zu schön um wahr zu sein, nichts ist wie es scheint. Broken Age dauert für geübte Adventure-Spieler zwar nur knapp vier Stunden, aber diese sind fesselnd, intensiv und haben diesen typischen Aha-Effekt am Ende. Mich persönlich hat schon lange kein Twist in einem Adventure so sehr verblüfft wie dieser. Selbst Telltale vermochte das bei mir nicht zu erreichen. Der Weg dahin ist aber genauso unterhaltsam, insbesondere da Tim Schafer viel schwarzen Humor miteinfließen lässt. Zwar gibt es nicht solche Phrasen-Schenkelklopfer wie beispielsweise in einem Deponia, doch sind gehässige Selbstmordgedanken oder ein kotzender Baum einfach Gold Wert. Vielleicht sind die Sprüche nicht immer so Clever getimet wie im ersten Monkey Island und erreichen deshalb auch nicht den gleichen Kultfaktor, trotzdem brennen sich die einzelnen Momente ein und davon lebt solch ein Spiel.

Spieldesign der charmanten sehr alten Schule

So jetzt mal ganz ehrlich, wer in Broken Age auf actionlastige Erzählungen ala The Walking Dead hofft, könnte vielleicht etwas enttäuscht werden. Adventures haben es ohnehin schwieriger neben anderen Genres, doch klassisches Point-and-Click-Gameplay ist nochmals eine ganz andere Sache, stammend aus einer jungfräulichen Spielekultur. Heutige Adventures definieren sich vor allem mit Entscheidungen die der Spieler selbst treffen kann. Wenn es keine Konsequenzen gibt, dann trumpft dieses Genre immerhin noch mit cleveren Rätseln auf. Broken Age hingegen verzichtet auf beides. Es gibt keine Alternativen Erzählstränge oder Schalter und Knöpfe zum Weiterkommen. Der Titel ist quasi ein interaktiver Zeichentrickfilm, manchmal sogar eher Kinderbuch. Das ist fast schon überraschend, da die Story mit ihren Twists und subtilen Humor so gar nicht für Kinder gemacht wurde. Zwar könnt ihr auch auf ein Inventar zurückgreifen, welches die Gegenstände aufbewahrt die ihr in den Räumlichkeiten findet, zum knobeln lädt diese Mechanik allerdings nicht ein. Da sämtliche aufgenommenen Items unweigerlich zum nächsten Ziel führen, gibt es somit immer nur einen richtigen Lösungsweg. Leider verzichteten die Entwickler komplett auf eine Hotspot-Funktion, deswegen können die Rätsel zwischendurch schon mal in Trial and Error ausarten. Nichtsdestotrotz bleiben die Aufgaben weitgehend logisch, kommen aber nie über ein anspruchsvolleres Niveau hinaus.

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Ebenfalls ist die Levelgestaltung nur sehr begrenzt gehalten. Jeder Charakter besucht im ersten Akt gerade mal drei bis vier größere Screens. Einzig in der Mitte des Spieles könnt ihr für kurze Zeit die Umgebung relativ frei erkunden. Natürlich immer nur solange bis ihr die nächste Instanz getriggert habt. Ja ich weiss, mittlerweile können Adventure wesentlich offener sein. Aber geschenkt, Broken Age möchte klassisch gespielt werden und kaschiert das auch gar nicht. Cool ist allerdings, dass ihr während des Abenteuers ständig zwischen den Hauptprotagonisten hin und her wechseln könnt. Jeder Charakter kann zwar auch einzeln abgeschlossen werden, für das große Finale empfiehlt es sich aber beide Figuren parallel zu Spielen. Auf diese Weise bekommt ihr noch einen besseren Eindruck der Zusammenhänge und der Twist wird dadurch intensiver.

Wenn Spiele künstlerisch werden

„Grafik ist nicht alles“, sagt man so schön. „Blödsinn!“ sag ich dazu, zumindest was das Adventure-Genre betrifft und die Entwickler von Broken Age sahen das wohl ähnlich. Weil wenn der Titel eines kann, dann ist es eine Optik auf den Bildschirm zu Zaubern, die sowohl vertraut als auch ungewöhnlich aussieht. Auf 3D-Objekte oder anderen technischen Schnickschnack verzichtet Double Fine grundsätzlich. Broken Age präsentiert sich gänzlich zweidimensional, eine handgezeichnete Grafik die irgendwo zwischen Wachsmalkreiden und Cartoons liegt. Dabei ist der Detailreichtum manchmal so hoch, dass es schwer fällt sich zu entscheiden wo man als erstes hin klickt. Ich fühlte mich nicht selten in meine Kindheit zurückversetzt, es kam mir vor als würde ich ein Märchenbuch mit schönen Bildern aufschlagen. Bis dann aber der Moment kommt, wo der Humor wieder schwärzer wird und mir wieder auffällt, dass dieser Baum immer noch kotzt und Mädchen sich mit Fischinnereien Einsprühen, was für ein Spaß.

Zum Schluss noch einige Worte über das Staraufgebot in Broken Age. Schließlich hat die Kickstarter-Kampagne ganze vier Millionen Dollar gescheffelt und jenes Geld geht so gut wie nie vollständig in die eigentliche Spiele-Entwicklung. Aus diesem Grund hören wir keine unbekannten Synchronsprecher, sondern tatsächliche Stars wie Elijah Wood, Jack Black oder Wil Wheaton. Schade nur das Vella’s Sprecherin Masasa Moyo nicht jeder kennen wird, insbesondere weil sie bereits Übung in Sachen Vertonung in Spielen hat und auch für Broken Age eine Topleistung abliefert. Ohnehin ist der gesamte Sound wie aus einem Guss, dass liegt nicht zuletzt an der hervorragenden Musik von Komponist Peter McConnell. Die begleitenden, teils melancholischen, teils imposanten Töne sind stets passend zum Geschehen, jedoch ohne einmal aufdringlich oder nervig sein, perfekt eben.

Anmerkung: Die endgültige Bewertung wird erst mit Abschluss des zweiten Aktes vergeben. Für den Moment machen wir nur eine Ersteinschätzung.

Fazit:
Kickstarter Kampagne geglückt, Krise abgewendet: Ein Motto, welches bezeichnend für die Entwicklung von Broken Age ist und wegweisend für andere Kickstarter-Titel sein könnte. Nicht nur das Double Fine viel Geld generieren musste, nein, es war sogar für ein quasi Nischenprojekt gedacht, was schlussendlich doch richtig groß wurde. Broken Age ist einfach wunderbar und jeder Baustein im Spiel passt einfach zusammen. Nicht mal das fehlende Hot-Spot-Feature oder die nicht vorhandenen Entscheidungen konnten mir den Spaß rauben. Im Gegenteil, mich erstaunte wie gut man diesen klassischen Charme in die heutige Zeit transportieren konnte. Klar, Broken Age ist simpel und bietet eigentlich keine Herausforderung. Dafür aber eine herrliche Atmosphäre, bildgewaltige Momente, Charaktere zu verlieben, richtig gute Sprecher und eine Geschichte die bewegt, weil sie so unerwartet daherkommt. Dieser Titel funktioniert so wie er ist, nämlich zauberhaft.

Ersteindruck: Sehr Gut

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